Diskurse über Identitäten bzw. die sogenannte Identitätspolitik, sie treiben seit Monaten wilde Blüten und diese sind leider nicht bunt und anregend, sondern zunehmend düster, grau und deprimierend.
Da werden in den subkulturellen Communitys Haar- und Abspaltereien betrieben, die am Ende des Prozesses jeden als eigene (Einzel)gruppe zurücklassen, da es keinerlei Übereinstimmung mehr gibt. Da werden kulturelle Veranstaltungen torpediert, weil sich Dreadlocks auf dem falschen Kopf befinden. Da werden Lesben und Schwule zu Faschistoiden erklärt, weil sie das bleiben wollen, was sie immer schon sind.
Fluide Identität in Genderfragen eine Pflicht, in kultureller Hinsicht ein Verbot?
Ich bin es leid.
Ich bin wandelbar!
Ich bin ambivalent.
Ich bin müde und frustriert von dem ganzen Diskursfeuer.
Ich bin Träumerin und Gestalterin.
Ich suche nicht nach einer Schublade in der Schublade in der Schublade in der...
Ich bin Fan von Gertrude Stein.
Und ab sofort auch von Adolf Muschg.
Ja, da kam diese Woche aus einer überraschenden Richtung ein Impuls, der seine Fühler ausstreckte in mein Denk- und Fühlsystem, der mich aufhorchen lässt und durchatmen.
Und dieser Impuls kommt ausgerechnet von einem 'alten weißen Mann', dem Anderen, dem Adolf Muschg. Es sind die Gedankengänge des Schriftstellers über eine Kernaussage des Zen-Buddhismus, die mich derzeit sanft umtreiben:
"So wie wir sind, sind wir den Anderen gleich, weil wir selbst auch anders sind, als wir denken (...)
Das Individuum - das Unteilbare?. Nein wir sind zum Glück teilbar."
Diese Gedankengänge sind nicht neu, der Zen-Buddhismus ist es auch nicht. Und das Filmportrat von Adolf Muschg, dass mich sehr berührt und inspiriert hat, ist auch schon von 2021.
Aber wie die Identität ist ja auch die Zeit fluide.
Der Trailer zu dem Filmportrait:
Den kompletten Film 'Adolf Muschg - der Andere' gibt es noch bis zum 24.06.2023 in der 3sat-Mediathek zu sehen (ab Minute 48:50 über Identität und Entwicklung der Persönlichkeit) und danach sicher auch auffindbar im Netz.
Den Identitäten adé sagen!?
Oder sich zumindest der Debatte darum und darüber entziehen, sich verweigern, auf die eigene Teilbarkeit verweisen?
Ein Versuch auf Zeit.
Foto Startseite: N.N. (Netzfund)