‚Cut Piece‘, erstaufgeführt von Yoko Ono im Jahre 1964 in Kyoto, Japan, ein Jahr später wiederholt in der New Yorker Carnegie Hall wird bis heute von Performer*innen auf ausdrücklichen Wunsch von Ono kopiert. Und auch Ono selbst hat knapp 40 Jahre nach der Erstaufführung ihre Performance noch einmal wiederholt – 2003 in Paris.
In Cut Piece betrat Ono 1964 die Bühne in ihrem besten Kleid, setzte sich in einer traditionellen japanischen Haltung auf den Boden und forderte das Publikum auf, mit einer Schere Stücke aus ihrer Kleidung zu schneiden und mit nach Hause zu nehmen. Sobald sie unbekleidet war, bedeckte sie ihre Brüste mit den Händen.
„Cut Piece« hatte ein Entblößen zur Folge, eine Auflösung der Wechselwirkung zwischen Exhibitionismus und dem Verlangen nach
Betrachtung, zwischen dem Opfer und dem Angreifer, zwischen dem Sadisten und dem Masochisten..."
(Quelle:
Kristine Stiles, »Uncorrupted Joy: International Art Actions« , in: Out of Actions: between performance and the object, 1949–1979, Paul Schimmel (Hg.), MoCA Los Angeles, New York/London, 1998, S.
278.)
Diese frühe Performance von Yoko Ono hat bis heute nicht an Wirkkraft eingebüßt, auch wenn viele Künstler*innen – unter anderem die nicht minder berühmt gewordene Marina Abramovic - später mit weitaus drastischeren Performances aufgetreten sind.
Als Yoko Ono ihre ersten bedeutenden Schritte in der Kunstwelt unternahm, bewegte sie sich in einer kategorischen Männerwelt. Die Künstler der aufkommenden Fluxusbewegung (eine Geburtsstunde der Happenings und Performance Art) waren fast ausnahmslos Männer; George Maciunas, Nam June Paik, Benjamin Patterson… Und auch bei Yoko Onos Auftritten mit dem damals bereits vielbeachteten Experimentalmusiker John Cage wurde die Künstlerin von der Kritik meist in eine Nebenrolle gedrängt – in die des zu betrachtenden Objekts an der Seite des Subjekt Mann.
Mit ‚Cut Piece‘ entblößte Yoko Ono nicht nur sich selbst, sondern auch das vorherrschende Geschlechterverhältnis im Patriarchat des weißen Mannes.
Von Ono selbst stammen die Worte ‚Women Is The Nigger Of The World’, später gesungen mit der ‚Plastic Ono Band‘ – drastische Worte, die bis heute ihren hymnenartigen Charakter, ihre Brisanz und Bedeutung nicht verloren haben.
Yoko Ono war und ist Pionierin – nicht nur auf dem Gebiet der Performancekunst.