Nicht nur die aktuelle Ausstellung, auch die Biografie der Künstlerin scheint übermächtig.
Direkt gegenüber dem 2017 eröffneten Kusama-Museum in Tokio liegt die Nervenheilanstalt, in die sich Yayoi Kusama 1977 selbst einwies. Traumatisierung durch Elternhaus und Kriegszwangsarbeit, extreme Panikzustände und Halluzinationen, Angst vor phallischen Objekten, Sexualität, Essen lagen dieser Entscheidung zugrunde.
Kusamas Kindheit und Jugend im Elternhaus war von Strenge und Autorität geprägt.
Japan war zu dieser Zeit ein faschistoider Militärstaat.
1948 ging Kusama an die Kyoto School of Arts and Crafts. 1952 hat sie ihre erste Einzelausstellung in der Matsumoto Civic Hall, der Bürgerhalle ihrer Heimatstadt. Viele Bilder aus dieser Schaffensperiode wurden von der Künstlerin vernichtet, als sie 1955 nach New York ging.
1961 begann Kusama mehrdimensional zu arbeiten. Sie überzog Möbel und andere Haushaltsgegenstände lückenlos mit phallusartigen Stoffwülsten. Eines der bekanntesten Werke ist die Couch Accumulation #1, die zusammen mit Werken von Andy Warhol 1962 in der Green Gallery ausgestellt wurde.
Ab Mitte der 1960er setzte Kusama Fotografien ein, um ihre Arbeiten bekannt zu machen. Auf manchen Aufnahmen war sie nackt mit Punkten bemalt. Das war ein bewusster Schritt zum einen hin zu effektivem Selbstmarketing, zum anderen zu neuen Formen wie Happenings, Events und Performances. Die Punkte sind bis heute ihr wesentliches Erkennungsmerkmal. Sie erschuf ein ganzes Punktiversum.
1993 vertrat Yayoi Kusama Japan auf der Biennale von Venedig. Eine späte Genugtuung, hatte sie sich 1966 mit Narcissus Garden doch noch illegal auf dem Biennale-Gelände aufgehalten. Die Installation Narcissus Garden bestand aus 1500 spiegelnden Kugeln, die Passanten damals für 1200 Lire (heute ungefähr 210 Euro) erwerben konnten. Ein Schild mit der Aufschrift „Your Narcisium For Sale“ verwies auf den Narzissmus des Kunstbetriebes und -besitzes. Bis die Veranstalter der Biennale Kusamas Aktion polizeilich beendeten, war sie bereits zur bekanntesten Künstlerin dieser Biennale geworden.
Die Retrospektive Yayoi Kusama. A Bouquet of Love I Saw in the Universe zeigt auf knapp 3000 m² die Rekonstruktionen von acht Gesamt-Ausstellungen aus den Jahren 1952 bis 1983 sowie eine Reihe aktueller Arbeiten, darunter auch einen neuen Infinity Mirror Room - das Herzstück der Ausstellung.
Yayoi Kusama: Eine Retrospektive
A Bouquet of Love I Saw in the Universe
23. April bis 15. August 2021
Gropius Bau Berlin
Weitere Informationen, Tickets etc. hier
Eine nicht unwesentliche Rolle spielen Yayoi Kusama und ihr Punktiversum auch in meinem neuen Buch.
In Der Musen Elixier trifft die Protagonistin des Buches unter anderem auf die Künstlerinnen Yayoi Kusama, Frida Kahlo und Marina Abramović, auf die eigenen Urahninnen und auf diverse Wunderwesen.
Sie lernt zu fliegen, übers Wasser zu wandeln und empfängt die Lösung für universale Probleme.
Im zweiten Teil des Buches können die Leser*innen selbst ins Musenland reisen und ihr eigenes Leben
dabei aus ungewohnter Perspektive betrachten und gestalten.
#musenelixier