FLUIDUM X

Ort: Kantine des Bezirksamtes Kreuzberg 10. Stock; Rundumblick auf ein leicht im Nebel waberndes Stadtpanorama

 

Luftige Höhe hatte sich Thomas Noll für das Gespräch rund um die Fluiden Identitäten gewünscht (heute am Tag in der Höhe und im Untergrund gestern Nacht) und den Verzicht auf vorformulierte Fragen. Fließen sollte das Gespräch hierhin und dorthin und sich abwegig, abseitig zeigen…Fluide eben…

 

Thomas Noll – Fragmentarisch an Fluide:

 

…mir wurde schnell klar, dass ich mit meiner ursprünglichen Verknüpfung Fluide Identitäten= Geschlechterfluidität nicht weit komme…

Etwas anderes hat sich als ‚mein Fluide‘ herauskristallisiert: Biografisch und im Sinne von Haltung immer wieder Zwischenpositionen einnehmen, an den Grenzen unterwegs sein von alten und neuen Strukturen.

„noch/schon“ zieht sich durch meine Biografie:

Grundschule noch im Bau, aber schon mit Unterricht

Gymnasium noch in der 400 Jahre alten Tradition verhaftet, aber schon mit neuen Ansätzen

Studium noch in Gebäuden, die über die Stadt verteilt waren, aber schon mit der Aussicht auf eine Zentralisierung

Umzug nach Berlin 1989; noch Osten und schon auf dem Weg in den Westen

Arbeit als Organist in der Sophienkirche; noch Ostgemeinde, aber schon neu strukturiert

...

 

Meine Künstlerische Arbeit: traditionell gebiert experimentell…

Wann und wo und wie berührt Kunst/Musik mich?

Was passiert im Körper; wann und wie ist er beteiligt am künstlerischen Prozess und mit welchen Intentionen?

Das kreative Denken ist das Fluide Denken

Der empathische Moment ist der Fluide Moment

Gute Kunst setzt Nadelstiche…es wird Energie ins Fließen gebracht…Akupunktur…

Meine künstlerische Grundposition ist fest und alles was damit geschieht, sich daraus ergibt, kann fließen, sich wandeln…

 

Das Fließen(de) von Funktion, von Transport, von Transformation interessiert mich auch sehr.

Das ‚Switching‘ zwischen Makro- und Mikrokosmisch.

Vom Innenleben in die Kosmische Dimension.

 

Innere Bilder/Assoziationen:

Dieses bekannte Foto aus New York: Arbeiter auf einem Gerüst in schwindelnder Höhe. Das Gerüst steht fest, aber mit dem Gefühl von Weite und Freiheit (Gefahr?) drumherum

oder

Tragwerkkonstruktionen oder auch Fachwerk; permanent umbaufähig, aber mit klarem Fundament

oder

Das Rad/Kugellager; fließende Bewegungen, aber es braucht auch punktgenaue Begegnungen mit der Fläche; dieses Miteinander ermöglicht den Lauf wie auch die Richtungsänderung

oder  

das Bild eines Grundrisses, festgelegt, aber sich mittels Erfahrung nach und nach weiter erschließend/verdeutlichend 

oder

der Aggregatzustand „auf einem Bein stehend“ (Spielbein/Standbein)

 

Sein & Identität als Kombination aus täglich hochfahrendem innerem Betriebssystem und der Aufgabe strukturell immer neu daran zu bauen, umzubauen, auszubauen (auch hier Fluide bleiben mit festem Fundament)

Es gibt ein Urvertrauen in mir; das ermöglicht mir zu leben und zu arbeiten im immer-wieder-Ungewissen und Fließenden…

  

Thomas Noll, Musiker, organworks

 

Was die Strickliesel, die Gänseliesel, der Brunnen, die hohle Erde, das Pyramidensystem, die klingenden Röhren, der Paternoster und nicht zu vergessen die 3 Parzen mit den Warzen im weiteren Gesprächsverlauf zu suchen hatten: das (er)klären bzw. (er)forschen wir noch. Es wird sich auf die ein oder andere Weise in unseren Programmen oder Formaten 2019 niederschlagen…

 

Was wir gegessen haben: Gulaschsuppe…

 

Was es sonst noch zu anzumerken gilt: Unisextoiletten im Bezirksamt…huch…ach da war doch was zu Gesprächsbeginn: apropos Geschlechterfluidität…

 

 

Für die Begegnung dankt Sabine Küster