FLUIDUM VI

Kannst Du mit dem Begriff Fluide Identität etwas anfangen? Hast Du eine Fluide Identität?

 

Ich finde den Begriff großartig, genial, kann viel damit anfangen. In Bezug auf meine Biographie habe ich noch nicht so viel drüber nachgedacht.

Für mich sind das verschiedene Versionen von mir selbst, die alle zur gleichen Zeit präsent sind und wo das Leben, was  ja in Zeit und Raum stattfindet, unterschiedliche Fokussierungen setzt und dann erlebe ich mich als Kind, als 20jährige, als 50jährige, aber sie sind immer alle gleichzeitig da, nur  die Verdichtung, die Ich-Bin-Identität im Körper wandert.

 

In meiner Arbeit habe ich ja immer mit den fluiden Identitäten zu tun, weil ich immer davon ausgehe, dass es eine bestmögliche Version von mir im Bezug auf eine Situation gibt. Also kann ich mich auch immer in eine andere Verfassung, eine andere Identität von mir bringen, als die, in der ich automatisch landen würde.

Ich arbeite eher mit den parallel existierenden Universen als mit dem es war…es wird …obwohl es die Ebene gleichzeitig gibt. Das Fluide Identitäten ist so geschmeidig, weil wir so viel weniger festgelegt sind als wir meinen…

Ein Zauberwort.

 

Sind Deine künftigen Identitäten darin auch schon enthalten?

Ja, die Bausubstanzen dafür.

 

Was sind wichtigsten Faktoren für die Beeinflussung der Fluiden Identitäten? Wodurch ist es fluide?

Naja, das ist einfach so. Alles was wir wahrnehmen können ist Energie in verschiedenen VerdichtungsformenEnergie und Bewegung und Information (Mischung) und sorgt für diesen permanenten alchimistischen Prozess – von gasförmig über flüssig und  fest. Und fluide ist das permanente Shiften zwischen den verschiedenen Zuständen.

 

Geschieht dieser Prozess von innen nach außen oder von außen nach innen?

Gleichzeitig natürlich. Sowohl als auch.

Keine Gewichtung?

Doch. Der menschliche Hier-Körper ist ja ein Gefährt für Anziehung und Konkretion von Erfahrungen. Erfahrungen beginnen in der Psyche und lenken den Fokus auf die Physikalität und durch die Fokuslenkung verdichtet sich das, was angeschaut wird.

Also was wir im Außen wahrnehmen, ist immer ein Ergebnis von einem Prozess, der im Innen losgelaufen ist. Und das umgekehrte ist natürlich, wenn wir auf das Außen als gesetzte Tatsache reagieren und dann darauf wieder reagieren, löst das Reaktionen aus und verschiebt den Fokus und beeinflusst sich permanent gegenseitig. Wir erzeugen Realität, um uns von der Realität bewegen und konkretisieren zu lassen...

 

Hast Du Identitätsanteile, die Dir selbst fremd sind?

Es gibt einige, mit denen ich noch nicht so grün bin, die ich nicht so gerne mag.  Zurzeit bin ich nicht im Kontakt mit Anteilen, die mir komplett fremd sind. Ich kenne das… aber es war länger nicht mehr so heftig, dass ich erschrocken bin.

Am schwierigsten anzunehmen sind all diese Anteile, die wir als ‚Täter‘ deklarieren… also z. B. arrogante Arschlöcher, die meinen die Welt gehört ihnen und das Magisch-Weibliche wäre Abschaum… Teile davon gibt es auch in mir. Also das aufzunehmen, anzunehmen…

Die Opfer -Anteile kriegen wir schnell in die innere Verbindung, aber von  den Täter-Anteilen (der eigene Nazi, der eigene Unterdrücker, der eigene Sklavenhalter, der eigene Geringschätzer…) auch als Ich bin xx zu sprechen (ich bin die , die mich mit Füßen tritt; ich bin die, die mich dick und hässlich findet…)  ist so viel schwieriger…

 

…weibliche/männliche Identitäten/Rollen/Bilder…beides parallel in Dir?

ICH bin ICH kann ich sagen

ICH bin MENSCH kann ich sagen

ICH bin CAROLA … ich gewöhne mich daran; aber mein Herz geht nicht unbedingt auf dabei…

ICH bin MANN – klar nein

ICH bin FRAU – ähnlich wie bei CAROLA – jaaa…mmmh…

Ich bin Mensch hat eine Gefühlsanbindung… ich bin Frau ist eher wie ein Kleid tragen.

Aber es fühlt sich jetzt nicht nach Geschlechtermix an. Also ich bin Frau, auch gerne, aber meine weiblichen und männlichen Empfindungen, Gewohnheiten, Attribute, also die Zuschreibungen, sind in mir gleich stark – aber eben in meinem weiblichen Körper.

ICH bin MUTTER kann ich auch gut fühlen.

ICH bin GROßMUTTER ebenso.

Das ICH bin FRAU ist noch am unlebendigsten, unverbundensten, das hat sicher auch mit meiner Geschichte, meiner Sexualität usw. zu tun.

 

Bist Du da noch am Suchen, am Forschen?

Ich bin in einer interessierten Offenheit für diese Erfahrungen und Prozesse. Wenn ja dann gerne, wenn nein, kann ich auch friedlich gehen…

 

Kein Drängen, kein Druck? Nein.

Das ist jetzt nicht wirklich neu, aber spannend für mich zu spüren, was da in mir schwingt und was lebendig ist und was noch unverbunden ist an meinen Identitätsanteilen…

Und auch zu merken wie das wiederum verbunden ist mit meiner Wahrnehmung von mir selbst, mein eigenes Außen-Bild knüpft da an… mein Glaube so und so auf andere zu wirken…

 

Kannst Du Dir vorstellen, dass noch ganz neue Teile hereinplumpsen in das große Identitätsdelta?

Coole Frage. „Nein wir haben alles im Blick“ (scherzhaft). Und da das in meinem System verankert ist, sagt die Vorstellungsebene tatsächlich Nein.

…und die Wunschebene schließt sich gerne der Vorstellungsebene an, weil es war ja schon so aufregend und auch anstrengend... Und dann gibt es da noch was, das sagt Hihi, Du wirst Dich noch wundern.

Aber es gibt ein ... inneres Verstehen, das in dem Maße wie die unbelebte Frau in mir wieder lebendig wird (die habe ich in den 80ern „abgestellt“, die war vorher mal sehr frei, aber unverwurzelt, ungehalten)

Ich habe eine Idee, einen Geschmack davon… möchte sie heimholen in mein heutiges Ich. Und wer und wie ich bin mit meiner Jetzt-Version mit der Qualität dieser freien Frau, das ahne ich, aber gleichzeitig habe ich auch keine wirkliche Vorstellung …

Interessant, wie stark mein System davon ausgeht, dass das dann anstrengend, schmerzhaft, mühsam wird. Meine Vorstellung von radikaler Veränderung ist immer mit Schmerz verbunden. Deshalb haftet die Vorstellung an diesem Nein, das muss doch nicht schon wieder sein.

Aber ja, dann wird es nochmal brenzlig, dann plumpsen neue Dinge herein...

 

Interviewerin: Sabine Küster