Kannst Du mit dem Begriff Fluide Identität etwas anfangen? Hast Du eine Fluide Identität?
Den Begriff habe ich mehrfach bei Dir gelesen und ohne zu wissen was sich für dich dahinter verbirgt und ohne wirklich im Detail sagen zu können was er für mich alles bedeutet, würde ich auf jeden Fall sagen: JA!!!
Wenn ich zurückblicke, stelle ich fest, ich habe schon so viele unterschiedliche Leben gehabt, das ist der Wahnsinn. Und ich habe hoffentlich noch ein paar Jahrzehnte vor mir und hoffe da kommt noch einiges. Zurückblickend: als Kind natürlich so etwas wie eine kindliche Identität, als Jugendliche stark auf der Suche nach einer eigenen Identität…wer bin ich eigentlich…das ist mir sehr schwer gefallen…habe sehr große Probleme mit mir und meiner Identität gehabt…
Lange Zeit wusste ich nicht, wer bin ich, wer will ich eigentlich sein. Das war für mich ein großes Problem. Ich habe das teilweise versucht positiv zu sehen, zu denken ich bin eben offen und probiere dieses und jenes aus, aber innerlich war ich nicht glücklich damit, habe mich nicht gefestigt gefühlt keine feste Persönlichkeit zu sein.
Diese Suche und das Ausprobieren hat sich auf alles erstreckt…zunächst auf die Auswahl meiner Freund*innen…ich fand das total spannend ganz verschiedene Leute kennen zu lernen…je verschiedener desto besser…hat mich fasziniert…
Auch meine sexuelle Identität war ein schwieriges Thema für mich…ich habe 10 Jahre lang auch Frauenbeziehungen gehabt…da war erst mal das Coming Out, also bin ich jetzt lesbisch…aber nach 10 Jahren hat das auch nicht mehr gestimmt, da war ich wieder mit Männern zusammen…und da war dann wieder: ja wer bin ich denn, was will ich denn sein…da war ich wieder auf der Suche…nicht aus dem Zwang heraus, ich muss das, weil andere das wollen, sondern es war mein Bedürfnis, weil ich mich nicht stabil gefühlt habe.
Ich wollte einfach irgendwas sein, wollte mich zuhause fühlen. Ich bin dann auch immer total eingetaucht.
Als ich die Frauenbeziehungen gelebt habe, bin ich also komplett in die schwul-lesbische Szene eingetaucht. Ich habe z.B. die Idee zum ersten CSD in Bielefeld gehabt und dann mit einem tollen Team diesen auch organisiert.
Dann war ich im Ausland. In San Francisco. Da bin ich dann eingetaucht in eine andere Kultur. Ich wollte dort nicht nur im Urlaub sein. Ich wollte Ausland fühlen. Ich wollte Ausland sein. Ich wollte Ausland werden. Ich habe die Menschen beobachtet, wollte alles annehmen, von ihnen aufnehmen, nicht imitieren, sondern so werden. Eintauchen in andere Identitäten. Es ist nur ein Gedankenspiel, aber ich bilde mir dann ein, in andere Identitäten eintauchen zu können und genauso fühlen zu können. Das finde ich faszinierend.
Irgendwann kommt aber immer der Punkt, da ist das wieder vorbei…
Aber die Faszination für andere Identitäten bleibt? Es könnte wieder…
Ich schließe generell nie etwas aus, aber heute ist es nicht mehr so dieser intensive Drang. Ich bin ehrlich gesagt nicht mehr auf dieser Suche. Das hat sich in den letzten Jahren verändert, seit ich in Köln bin und seit ich meinen Mann kennen gelernt habe.
Seitdem habe ich das Gefühl ich bin angekommen… vorbei…ich habe endlich meine Ruhe…es war immer nur ‚da ist etwas, Faszination, das will ich, eintauchen, doch nicht, wieder weg‘…es war ein sehr anstrengendes Suchen für mich…
Die Faszination ist geblieben, aber heute lebe ich die glaube ich in meiner Malerei aus.
Kunst als Transformationsmittel? Eintauchen in andere Identitäten als Portraitmalerin?
Ich habe einen langsamen Malstil, brauche sehr lange bis ein Bild fertig ist, aber das heißt eben auch, dass ich mich sehr intensiv mit dieser Person während des künstlerischen Prozesses beschäftige. Mein Anliegen ist es wirklich in diese Person einzutauchen, diese Person zu erspüren, um dann auch wirklich ihr Wesen und ihre Liebenswürdigkeit herauszuarbeiten. Das ist mein Anspruch…
Die Entdeckung der Kunst war für mich wie eine Erlösung, dass ich da meine innere Faszination für alles, für die Menschen, die Gesellschaft, das Fremde an sich ausleben kann, das das geht…
Natürlich habe ich auch diese ganzen vorherigen Erlebnisse in mir…auch die vielen Menschen, denen ich begegnet bin…erinnere ich mich wieder an die Zeit und wie ich damals war…das hat ja alles einen Anteil an meiner heutigen Identität…